Ausverkauf der Daten

Mit den persönlichen Daten der Nutzer wird viel Geld verdient. Man schaue sich nur die Aktienwerte der großen Instant-Messaging-Dienste, sozialen Netzwerke, Videoportale und Suchmaschinen an. Wie sich aber die Daten zu Geld machen lassen, ist für viele die große Frage. Ist es bei den Suchmaschinen "nur" die Reihenfolge der Suchergebnisse? Oder ist es die Werbung, die bei den Videoportalen und sozialen Netzwerken geschaltet wird? Und wie passen die Instant-Messaging-Dienste, das größte Online-Versandhaus, das größte Online-Bezahlsystem, der größte Online-Marktplatz und der größste Auslandsgeheimdienst ins Bild? Wieso sind die alle amerikanisch? Und wieso endet jede Suche bei wikipedia.de auch nur auf amerikanischen Servern?

Wenn man eines aus dem heutigen, ungehemmten Gebaren der Firmen gelernt hat dann, dass deren Grenzen nur die Fantasie festlegt. Also müssen wir uns eigentlich nur anschauen, was heute möglich ist, um einen Eindruck von der realen Welt zu bekommen.

Was geht? Einfach alles!

Speicherplatz und Rechenpower ist unglaublich billig geworden. So billig, dass ein aktueller Photodienst seinen Nutzern unbegrenzten Speicherplatz anbietet. Warum? Weil der Konzern sein Wissen weiter perfektionieren will. So erkennt deren KI nicht nur Bildinhalte und Gesichter, sondern ist darüber hinaus u.a. auch in der Lage, die Bewegungen und sozialen Kontakte der Personen zu bestimmen. Dabei muss dein Photo gar nicht von dir selbst stammen. Glaubst du nicht? Dann schau dir doch einfach einmal die freien Assoziationen der KI an, wenn ihre Empfindlichkeit ein wenig zu hoch eingestellt wird. Maschinelle Fantasie gepaart mit purer Rechengewalt - das ist die Superwaffe im Informationszeitalter.

Der Speicher des weltgrößten Suchmaschinenkonzerns allein wird auf 10GB (=1010 Bytes) pro Person geschätzt - egal ob deutscher Rentner oder Kind in einem Entwicklungsland. Um es anschaulich zu machen... angenommen, du beschreibst dich selbst und jedes Wort würde abgespeichert, dann könntest du damit lebenslang fortfahren, ohne dass der Platz aufgebraucht wäre. Kaum zu fassen, aber für die Internet-Giganten ist das ein Klax. Längst kennen sie dich besser, als du dich selbst, denn anders als du vergessen sie nichts.

Wusstest du, dass man dich eindeutig identifizieren kann? Dein Browser läßt sich auch ohne Cookies zu 99% wiedererkennen. Zudem ist auf jeder zweiten Website eine sogenannte Datenverkehrsanalyse-Software aktiv. Spätestens seitdem du dich einmal bei einem Online-Händler angemeldet hast, haben sich alle Website-übergreifenden Informationen zusammengefügt. Man kennt nicht nur deine Identität sondern alles, was man über dich nur wissen kann - Bilder, Videos, Körpermaße, Gesundheitszustand, sexuelle Ausrichtung, deine Interessen und dunklen Seiten sowie eine ziemlich genaue Abschätzung deines zur Verfügung stehenden Einkommens - um nur einige Dinge von vielen zu nennen. Glaubst Du nicht? Dann lass uns mal zusammen kurz überlegen.

Die größte Suchmaschine hat eine monopolgleiche Stellung. Praktisch jeder Bürger gibt hier alle Begriffe ein, die ihn interessieren und ausmachen - ist ja auch so schön praktisch. Zusammen mit deiner Identität steht dem Hersteller damit ein umfassendes Bild deiner Persönlichkeit zur Verfügung, denn jede Suchanfrage wird gespeichert.

Eine weitere Informationsquelle ist die Daten-Cloud, wo viele ganz freiwillig ihre Daten hochladen. Ich frage mich ... wie soll denn z.B. der amerikanische Cloud-Anbieter dem Gesetz zur Datenweitergabe nachkommen, wenn man die Daten nicht entschlüsseln kann? Natürlich behaupten die Hersteller, dass dem nicht so sei - von außen ist das sowieso nicht überprüfbar. Was also sollte sie daran hindern?

Wer ein soziales Netzwerk oder einen Instant-Messaging-Dienst benutzt, legt nicht nur sein Kommunikationsverhalten offen, sondern auch seine Beziehungen. Und da deine Kumpels ebenfalls lückenlos überwacht werden und du selbst ja meist nicht weit von der Gedankenwelt deiner Freunde weg bist, kann man auch daraus herrlich Schlüsse ziehen.

Dein Bild zusammen mit deiner Telefonnummer, der E-Mail-Adresse und vielen weiteren Daten sind in den Kontakten auf den Smartphones deiner Freunde zu finden - solltest du wissen, denn du selbst hast doch dem Instant-Messenger auch den vollen Zugriff darauf erlaubt, nicht wahr? Toll auch, wenn in einem Bildnamen das Wort "Selfie", "ich" oder der Name eines Freundes vorkommt - obwohl, dank der KI ist das alles ja mittlerweile gar nicht mehr nötig. Sogar wenn du selbst noch nie im Internet drin gewesen wärest, sind deine Daten also wohl bekannt.

An Bilder und Videos kommt ein Hersteller übrigens auch, wenn seine App Zugriff auf deine Galerie hat. Stammt aber sogar das Betriebssystem von ihm, dann kommt er im Notfall sowieso an alles dran, auch wenn er dies wegen des technischen Aufwandes wohl nur in Ausnahmesituationen tun wird. Trotzdem, Sicherheitsmechanismen, die ihn aufhalten könnten, gibt es nicht.

Stand der Beeinflussung

Jeder weiß: Der Suchmaschinenbetreiber bestimmt die Welt, die wir zu sehen bekommen. Oder um es anders auszudrücken: Dem weltgrößten Suchmaschinenbetreiber wird zugebilligt zu kontrollieren, welche Meinungen die Menschen in der Welt zu sehen bekommen. Und da er den Algorithmus nicht herausrücken muss, mit dem er die Suchtreffer priorisiert, kann keiner nachprüfen, ob die Reihenfolge der Treffer überhaupt mit ihrer Relevanz zu tun haben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Wie aber löscht man Daten aus dem Internet? Dazu ein Beispiel: Ich stieß auf eine Seite, auf der Nutzer ihre Erfahrungen mit einem Produkt beschrieben - sehr wohlwollend sogar. Ein paar Tage später stand dort aber nur noch, dass die Diskussionsplattform auf Wunsch des Herstellers geschlossen wurde. Wenig später war auch dieses Statement verschwunden und ich beobachtete dasselbe auch bei einer anderen Website. Anfangs verstand ich nicht, aus welchem Grund dies geschah, aber dann wurde mir klar, dass man Leuten, die sich mit den Produkten auskennen, kaum etwas vormachen kann. Deswegen sind sie eine Bedrohung, die aber ziemlich einfach beseitigt werden kann - ein Brief der riesigen Rechtsabteilung des Herstellers dürfte genügt haben.

Was ließe sich mit den gesammelten Daten anfangen?

Dazu eine paar fiktive Beispiele: User A kommuniziert täglich mit User B. A hat sich als erstes online einen Kopfhörer gekauft und sein Kumpel B kurz danach ebenfalls. Nun hat sich A ein Smartphone X gekauft. Wie groß ist wohl die Wahrscheinlichkeit, dass es ihm User B bald gleichtun wird? Wird es ein ähnliches Modell sein? Ach nee ... B ist nicht ganz so gut betucht. Nach seinen Suchbegriffen zu rechnen, wird's wohl eher das Modell Y, zumal er kein Schlaukopf ist - von anspruchsvollen Websites kehrt er immer ziemlich schnell wieder zur Suchmaschine zurück und oft sucht er immer wieder nach den gleichen Begriffen. Hmmm... Was wäre wohl für B ein akzeptabler Preis? Na ja, wenn man ihn so anguckt, dann berechnen wir ihm für dieses Produkt mal einen Aufschlag von weiteren 15%.

Und diese Info greift, denn der Suchmaschinenbetreiber bestimmt die Welt, die B zu sehen bekommt - ab jetzt also nur noch Seiten, die für das Produkt einen ähnlichen Preis angeben. Der Online-Händler bietet dasselbe Produkt einfach in unterschiedlichen Ausprägungen mit unterschiedlichen Preisen an und macht die Artikelbeschreibung mal mehr oder mal weniger genau. Nur damit es B nicht auffällt, werden noch einige höherpreisige Angebote rein gemischt. Der Kunde soll sich ruhig freuen, wie "günstig" er den Artikel ergattert hat. Dann nutzt er sicher auch beim nächsten Mal wieder unsere Dienste.

Ein weiteres Beispiel: Wir wissen, du hast noch kein XY! Aber Mensch, XY ist voll im Trend! Das bestätigt auch Z! Willst du etwa out sein? Beeil dich, es gibt nicht mehr viele! Und inzwischen sind die richtig günstig geworden! Brauchst nur auf die aktuelle Preisentwicklung zu schauen, die wir dir gerade einblenden. Natürlich spiegelt genau das wieder, was der Nutzer persönlich denken soll.

Ein letztes Beispiel: Wollen mal schauen, wie du so tickst. Jetzt haben wir dir Produkt A angezeigt - keine Reaktion. Hmmm... und wie wär's mit Produkt B? Auch keine. OK, dann mal 'nen bischen was pornografisch angehauchtes - aha, darauf reagierst Du also! Na warte... solltest du jemals frech werden oder in die Politik gehen, haben wir dich bereits im Sack! Wir kennen alle deine Sünden! Ach was, warum damit warten, wenn wir auch heute schon damit Geld verdienen können...

Bevor es zu ekelig wird... hier höre ich auf, denn man könnte sich beliebig lange weiter machbare Geschichten ausdenken. Lass einfach mal deiner Fantasie freien Lauf. Was klar geworden sein sollte:

  • Das Internet bietet den Großen grenzenlose Möglichkeiten und Profit.
  • Sie ködern uns mit kostenlosen Speicherangeboten und tollen Funktionen.
  • Dafür bekommst Du die totale Überwachung, der du dich schon jetzt nicht mehr entziehen kannst.
  • Alles nur, um dich heute und in Zukunft auf breiter Front rigoros über den Tisch zu ziehen.

Sind die Beispiele wirklich alle fiktiv?

Mittlerweile wohl nicht mehr. Mein Sohn meinte letztens doch tatsächlich, er würde lieber bei sich zu Hause nach Angeboten suchen - auf meinem Rechner sei es ihm einfach zu teuer. Ja passt - von uns beiden hab ich das höhere Einkommen. Trotzdem dachte ich, dass sei ein nicht ernstzunehmender Einzelfall, bis ein Freund meinte, dass er mittlerweile immer erst Preisvergleichsseiten aufruft, bevor er beim weltgrössten Online-Händler vorbei schaut. Dann sei es dort günstiger! Klingelt's jetzt?

Hast du schon mal nach Druckerpatronen gesucht? Wie oft wurden dir danach Druckerpatronen auf allen möglichen Websites angeboten? Mir so häufig, dass ich irgendwann entnervt zum Werbe-Blocker griff. Und was musste ich entsetzt lesen? 65% aller Nutzer hätten bereits einen Blocker im Einsatz! Ich war also so ziemlich der Letzte, der sowas noch nicht benutzte. Kann man leicht ändern, dachte ich so bei mir, also schnell mal einen installiert.

Inzwischen allerdings beschleicht mich der Verdacht, dass der Anteil der Blocker-Nutzer in Wirklichkeit kleiner ist. Aber selbst wenn nicht - verlagert sich das Spiel damit nicht nur etwas? Jetzt greift der Hersteller des Werbe-Blockers auch noch ein Stück vom Kuchen ab, indem er manche Werbung durchläßt und andere halt nicht. Und wieder werden die Produkte für mich teurer. Na ja, immerhin sehe ich im Moment etwas weniger nervige Werbung - das sollte einem doch ein Zusatzpreis wert sein, oder?

Da die Kunden sogar die Lieferung zahlen, müssten die Produkte im Internet eigentlich viel weniger kosten, denn für gewöhnlich knebeln die Seitenbetreiber ihre Lieferanten bis zum Exzess. Tatsächlich sind die Preise aber recht hoch. Das Gute daran ist, dass der Händler vor Ort wegen der Wucherpreise im Internet mittlerweile trotzdem überleben kann. Das Schlechte daran ist, dass andere die großen Gewinne in Reinform abschöpfen - und das auch noch elegant am Steuerrecht der Länder vorbei.

Wie sehr die totale Überwachung bereits heute auch zu einer Gefahr für unbescholtene Bürger wird, kann man daran ablesen, wie häufig inzwischen die gesammelten Informationen im Ausland bei der Aufklärung von Verbrechen genutzt werden. Dabei geht es längst nicht mehr um Terrorismus, sondern auch um Kapitalverbrechen - in Zukunft wohl auch um weniger. Kannst du sicher sein, dass du niemals nach einer Waffe, einem giftigen Stoff oder einer fragwürdigen Gruppierung gesucht hast? Klar weisst du das nicht mehr, aber die Suchmaschine sehr wohl. Bei Bedarf wird man deine Suche selektiv hervorkramen und als überzeugendes Indiz gegen dich verwenden. Man wird darstellen, in welchem zeitlichen Abstand du die Suchergebnisse angeklickt hast und daraus ableiten, wie sehr du dich für einzelne Seiten interessiert hast. Ist deine Suche länger her, dann wird man davon sprechen, dass du die Tat von langer Hand geplant hattest. Solange ein Täter gefunden werden muss, interessiert es keinen, dass die Suche nach Informationen eigentlich gar nichts beweist.

Was kann man als Nutzer dagegen tun?

Klicke hier für den dritten Teil.